2021 wurde erstmals von Bert te Wildt und Timo Schiele eine arbeitsbezogene Störung beschrieben und das Phänomen als „Burn on“ bezeichnet (Wildt te, B. Schiele, T. (2023). BURN ON IMMER KURZ VORM BURN OUT: Das unerkannte Leiden und was dagegen hilft. Droemer). An dieser Stelle soll das Phänomen kurz beschrieben und Zusammenhänge zur Hochsensibilität hergestellt werden. Auch wenn die Autoren letztere – möglicherweise aus mangelnder Kenntnis der Studienlage – als „Modediagnose“ einordnen.
Beim Burn on handelt sich um eine übermäßige Betonung der Arbeit im Leben, oft mit hohem Sinnerleben bei der Arbeit, ein regelrechtes Brennen für die Arbeit, ohne gänzlich abzustürzen, wie beim Burn out. Aber gepaart mit einer chronischen Erschöpfung, der Unfähigkeit zu entspannen und oft körperlichen Symptomen wie z.B. Bluthochdruck oder Muskelverspannungen. Als Kernsymptomatik wird genannt: Aktionismus bei gleichzeitiger Handlungslähmung, Positivismus bei gleichzeitigem Verlust von Lebensfreude und Perfektionismus bei gleichzeitig erlebter Unzulänglichkeit. Es handelt sich also um Menschen, die mit hohem Erfolg immer im Arbeitsmodus sind, aber gleichzeitig mit dem Gefühl, im Rückstand zu sein und Aufgaben nicht erledigt zu bekommen. Ein Gefühl der Resignation (Lähmung) macht sich breit, es nicht schaffen zu können. Weitere Stichworte sind: To do Listen, Ergebnisorientierung, Effizienz und „Immer. Alles. Zu viel“. Es handelt sich um Menschen, die eine positive Fassade nach außen aufrechterhalten, funktionieren, nicht jammern, ihre Bedürfnisse zunehmend nicht mehr wahrnehmen und immer freudloser werden. Es handelt sich um Menschen, die hohe Ansprüche an sich haben, immer mit dem Gefühl, es noch besser machen zu können, um irgendwann entspannt und zufrieden sein zu können. Ein weiteres entscheidendes Stichwort, das an dieser Stelle erwähnt werden soll, ist „Selbstausbeutung“.
Was hat das mit hochsensitiven Menschen zu tun? Hochsensitive sind tatsächlich in hohem Maße Burn on gefährdet. Ich spreche hier von Hochsensitiven, die (noch) nicht gut mit ihrer erhöhten Wahrnehmung umgehen.
Im Arbeitskontext sind hochsensitive Menschen von sich aus motiviert, v.a. wenn für sie die Arbeit als sinnvoll erlebt wird. Sie können tatsächlich für die Arbeit „brennen“, auch ohne dafür von außen angemessen ent- und belohnt zu werden. Die Arbeit an sich, die Begeisterung für das Thema, das Lösen von Problemen oder aber – im sozialen Bereich – Menschen zu helfen, wird als zutiefst zufriedenstellend erlebt. Nicht selten wird noch am Wochenende über ein (interessantes) Problem nachgedacht, Verbesserungsmöglichkeiten eruiert oder Beziehungsprobleme gelöst. Hochsensitive sind regelrechte „Beziehungsarbeiter“, z.B. im Team. Das alles ist Lohn genug!
Hochsensitive Menschen sind i.d.R. wenig zentriert, wenig bei sich und ihren Belangen und viel im Außen beschäftigt. Ihre Wahrnehmung ist offen und stets empfangsbereit. Aufgrund ihrer perfektionistischen Tendenzen sind sie sehr kritisch mit sich selbst und sehen auch hier immer weitere Verbesserungspotenziale. Sie stellen sich (aber nicht andere!), die Umstände oder ihr Leben in Frage. Sie kommen erschöpft in meine Sprechstunde und sind diesbezüglich oft ratlos. Irgendwas läuft nicht gut, aber was?
Zentral erscheint mir, dass sie weniger bekommen als sie geben. Sie leben in einem Pfefferkuchenhaus, von dem sich andere bedienen. Irgendwann stehen sie schutzlos da, beißen die Zähne zusammen und halten weiter durch.
Hochsensitive benötigen ein gutes Selbstmarketing. Andere dürfen sich Pfefferkuchen nehmen, aber nur im Austausch für Ziegel. Sie müssen lernen, sich ein Haus aus Stein zu bauen, damit ein Burn on keine Chance hat.